Eine Direktvermarktung von EEG-Strom an Endkunden kann sehr wohl fair und energiewirtschaftlich sinnvoll ausgestaltet werden. Der Kommentar von Öko-Institut-Wissenschaftler Dominik Seebach, der entsprechenden Vorschlägen in seinem Gastkommentar am 10. Juni auf E&M Powernews eine Absage erteilte, darf deshalb nicht unwidersprochen bleiben.

In wenigen Tagen werden wir wissen, ob der gesamte EEG-Strom fast ausschließlich als so genannter Graustrom über die Marktprämie am Spotmarkt landet. Oder ob der Gesetzgeber in der nun anstehenden Novelle doch noch erlauben wird, dass die Produktion deutscher Wind- und PV-Anlagen in nennenswerten Mengen auch unter Beibehaltung der grünen Eigenschaft zur Versorgung von Endkunden eingesetzt werden darf. Dies wäre im Gegensatz zu Seebachs Einschätzung höchst wünschenswert, und zwar aus vier Gründen: Wind- und Sonnenstrom würde energiewirtschaftlich besser eingebunden, als das derzeit der Fall ist; dezentrale und ökologisch ausgerichtete Versorgungskonzepte blieben möglich; die Akzeptanz der Energiewende würde durch direkte Lieferbeziehungen gestärkt; und wir hätten erstmals eine Form der Direktvermarktung, welche die EEG-Umlage nicht zusätzlich belastet, sondern sogar tendenziell entlastet.

Voraussetzung für diese Effekte ist eine kluge Rahmensetzung, so wie sie mehrere Ökostrom-Anbieter in den vergangenen Monaten in die Debatte eingebracht haben. In den vorgeschlagenen Modellen nimmt ein Versorger den gleichen EEG-Anteil ins Portfolio auf, wie er allen nicht-privilegierten Letztverbrauchern ohnehin zusteht. Derzeit wären das knapp 40 Prozent – die jedoch tatsächlich in Echtzeit zur Deckung des Kunden-Lastgangs dienen und nicht, wie heute üblich, bloß nachträglich „finanziell gewälzt“ werden. Der Versorger muss also mit dem „Gezappel“ der unstet einspeisenden Wind- und PV-Anlagen umgehen lernen. Eine zusätzliche Integrationszahlung reizt an, beispielsweise das Verbrauchsverhalten der Kunden an das Dargebot der fluktuierenden Erneuerbaren anzupassen. Mit anderen Worten: Der Versorger agiert innovativ und systemdienlich für die neue Energiewende-Welt; im Gegenzug erhält er für die eingebundenen EEG-Strom-Mengen die grüne Eigenschaft.

Anders als Seebach unterstellt würden diese Vorteile nicht zu Lasten der EEG-Umlage oder der EEG-Strom-Anteile gehoben, die sonstigen Nicht-Ökostrom-Kunden zugerechnet werden. Der Vorschlag der Ökostromer sieht nämlich vor, dass sich nicht nur die vorgeschriebene EEG-Strom-Menge an dem Anteil orientiert, der ohnehin allen nicht-privilegierten Verbrauchern zuzurechnen ist. Auch der finanzielle Betrag, der für den Bezug des EEG-Stroms zu zahlen ist, muss mindestens dem entsprechen, was die sonstigen Verbraucher über ihre EEG-Umlage leisten.

Zugegeben: Direktvermarktung ist naturgemäß kein einfaches Thema. Die vorgeschlagenen Modelle der Ökostromanbieter bilden da sicher keine Ausnahme. Deshalb wird jetzt darüber nachgedacht, zunächst eine Verordnungsermächtigung im EEG zu verankern. Sie würde ermöglichen, eine Direktvermarktung von EEG-Strom an Endkunden zu einem späteren Zeitpunkt einzuführen – wenn die Fachdebatte zu einem überzeugenden Ergebnis geführt hat. Ich würde mich freuen, wenn sich Seebach mit seinem Sachverstand daran beteiligt. Dadurch, dass er die Debatte um eine faire und systemdienliche Direktvermarktung von vorneherein für aussichtslos erklärt, tut er jedoch weder den Stromkunden noch der Energiewende einen Gefallen.

*Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation Greenpeace Energy