Der europäische Energiekommissar Günther Oettinger warnt davor, die Sanktionen gegen Russland auch auf den Energiebereich auszuweiten. “Ich rate unseren Fachleuten, das Thema Energie nicht zu einem Sanktionsthema zu machen“, sagte Oettinger Ende April bei einer Veranstaltung der „Energy Academy“ in Berlin. Offenbar fürchtet der EU-Kommissar, dass eine Ausweitung der Sanktionen auf dieses Feld Konsequenzen für die Versorgungssicherheit in Europa haben könnte.

Oettinger unterstrich, dass jetzt gehandelt werden müsse, um die Gasversorgung für Europa durch die Ukraine im kommenden Winter sicher zu stellen. „Spätestens Mitte Mai wird die Ukraine einen Teil der offenen Rechnungen, die sie bei Gazprom hat, begleichen müssen – notfalls mit internationaler Unterstützung. Da geht es um mehr als zwei Milliarden Dollar“, sagte Oettinger: „Wer Gas will, muss Gas bezahlen.“

Kritisch werde es für Europa, wenn die ukrainischen Gasgesellschaften von Mai bis September kein Gas kaufen und in der Ukraine einspeichern könnten. „Von Dezember bis März reicht das Produktionsgas aus Sibirien nicht aus für die Belieferung von Russland, Türkei, Weißrussland, Ukraine und der EU. Da muss immer Speichergas hinzu“, sagte der Kommissar: „Das heißt, wir müssen alles tun, damit die Speicher gefüllt werden. Eine Möglichkeit, die wir ausloten, ist, dass europäische Unternehmen in der Ukraine Gas speichern könnten, um für den Winter gerüstet zu sein.“

Die Abhängigkeit der EU-Mitgliedsländer von russischem Erdgas sei höchst unterschiedlich. Portugal, Spanien, Großbritannien und Irland würden beispielsweise überhaupt kein Gas aus Russland beziehen. Sechs Länder würden indes ihr Gas komplett aus Russland importieren: Litauen, Estland, Lettland, Finnland, Slowakei und Bulgarien.

Die Ukraine habe mit 50 Mrd. m3 pro Jahr einen sehr hohen Gasbedarf. Beim Thema Energieeffizienz gerade in Gebäuden gebe es viel Nachholbedarf. Derzeit produziere die Ukraine 20 Mrd. m3 Gas pro Jahr im eigenen Land. „Mit technischen Neuerungen und Modernisierungsmaßnahmen, die ja auch ein Teil unseres Unterstützungspakets sind, könnte man die Produktion höchstwahrscheinlich auf 25 Milliarden Kubikmeter steigern“, sagte Oettinger. Die Importe lägen derzeit bei 30 Mrd. m3.

Die EU-Kommission habe sich dafür eingesetzt, Gaslieferungen aus Europa in West-Ost-Richtung in die Ukraine zu ermöglichen. Mit der Einigung über den so genannten Reverse Flow auch über die Slowakei sei jetzt ein Durchbruch erzielt worden. Ein entsprechendes Abkommen wurde Ende April von den involvierten Unternehmen unterzeichnet. „Die Gaslieferungen über die Slowakei sollen in einem ersten Schritt rund 8 Milliarden Kubikmeter ab Herbst betragen.“ Bereits im Vorjahr ist Gas via Ungarn und Polen in die Slowakei geflossen. Insgesamt könnten mehr als 10 Mrd. m3 von EU-Staaten in die Ukraine transportiert werden. Dies sei ein gutes Argument, um Gazprom zu Marktpreisen zu bewegen, sagte Oettinger.