Die Ablehnung eines Kapazitätsmarktes durch die Bundesregierung und das Plädoyer im Grünbuch für einen Energy-only-Markt 2.0 plus einer Kapazitätsreserve trifft in den Koalitionsfraktionen nicht auf ungeteilte Zustimmung. Die zentrale Frage, „wie viel Prozent gesicherte Leistung brauchen wir, wann und wo“ könne derzeit noch niemand beantworten, sagte der Stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Michael Fuchs bei einer Veranstaltung des VKU am 28. Januar in Berlin. Auch SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil hält die Frage, "wie groß die Kapazitätsreserve sein muss", noch nicht für geklärt.

„Wir müssen mit plausiblen Annahmen arbeiten“, betont er. Und da gebe es noch erhebliche Fragen, beispielsweise zur Zahlenbasis des Grünbuches. „Ich finde die Annahmen zu abschaltbaren Lasten in der Industrie recht sportlich“, so Heil. Im Grünbuch wird das Potenzial entsprechend der zugrunde liegenden Gutachten von r2b energy consulting und Frontier economics mit 10 bis 15 GW bzw. 5 bis 10 GW veranschlagt. „Dieses Potenzial kann schnell und mit geringen Kosten erschlossen werden“, heißt es dazu. CDU-Mann Fuchs zweifelt daran: „Ich möchte wissen, welche Firmen dann vom Netz gehen.“ Er zweifelt auch weitere Zahlen an: Etwa, dass in einigen Jahren bereits 7 % gesicherte Leistung aus Windenergie zur Verfügung stünden.

Auch zu der Annahme, die Versorgungssicherheit könne notfalls durch Stromimporte aus dem Ausland abgedeckt werden, haben die Koalitionspolitiker große Bedenken. „Es ist gar nicht klar, ob die uns zur Verfügung stehen“, so Heil. Frankreich beispielsweise, dass derzeit noch für seine Spitzennachfrage Strom importiert, ab 2017 aber mit einem Kapazitätsmarkt arbeiten will, könne sich nicht so schnell umstellen, meint Fuchs. Dass im Grünbuch von aktuell 60 % Überkapazitäten im westeuropäischen Strommarkt ausgegangen wird, sei „viel zu hoch gegriffen“, meint auch VKU-Vizepräsident Andreas Feicht. Hier gebe es höchstens 16 bis 20 GW.

Heil teilt auch nicht die „Gewissheit“ des BMWi, dass Preisspitzen ausreichen, um die nötigen Investitionssignale zu setzen. Für einen Kapazitätsmarkt kann er sich trotzdem nicht begeistern: „Einen Nachteil hat der fokussierte Kapazitätsmarkt: Er ist der teuerste Weg“, sagt er. Klar ist für den SPD-Fraktionsvize genauso wie für seinen Unionskollegen Fuchs: Eine Entscheidung über das künftige Strommarktdesign muss noch in diesem Jahr her. Die Gesetzgebung dazu müsse in der zweiten Jahreshälfte erfolgen, um angesichts der Vorlaufzeiten für Planungen Investitionssicherheit zu schaffen, auch wenn das Ganze erst 2017/2018 in Kraft treten soll.