Mittwoch, 18. Februar 2015

Vox populi

Bild: Fotolia.com, Do Ra

„Dem Volk aufs Maul schauen, ja, aber nicht ihm nach dem Mund reden – das ist unsere Parole“, hat der ehemalige bayerische Landesvater Franz Josef Strauß gesagt, und als Lateiner hat er ergänzt: „Vox populi, vox Rindvieh“. Dem derzeitigen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer sind diese Strauß-Worte sicherlich bekannt, und es ist zu fragen, wie er sie im Kopfe hatte, als er seine Wirtschaftsministerin Ilse Aigner den Energiedialog starten ließ. Das Ergebnis ist bekannt und wird treffend beschrieben mit einem anderen Strauß-Zitat: „Sitzung ogsetzt, highetzt, abghetzt, ausanandergsetzt, Tagesordnung festgsetzt, wieder abgsetzt, Kommissionen eigsetzt, Kommissionen bsetzt, umbsetzt, gschwätzt, nix gsagt, vertagt, z'letzt neu ogsetzt, vui san zsammakumma, nix is rauskumma, Sitzung umma“ (bei Bedarf bietet die Redaktion gerne Übersetzungshilfe an). Seehofer sieht im Atomausstieg eine „Generationenentscheidung“, gehe die Wende schief, so wird er in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 3. Februar zitiert, könne das die CSU „so durchrütteln, dass die Mehrheit weg ist und zwar nachhaltig“. Vox populi, vox Stimmvieh. Solche Gedanken hat natürlich nicht nur Seehofer, auch die Kanzlerin Angela Merkel und ihr SPD-Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel sind geplagt von bösen Geistern – wie kann man bei der Wende die Bevölkerung mitnehmen, wie die Wirtschaft begeistern, wie Versorgungssicherheit gewährleisten bei bezahlbaren Energiepreisen? Was die Höchstspannungstrassen nach Bayern angeht, so hat Ilse Aigner gesagt, seien „zwei minus x“ möglich, notwendig ist also eventuell auch gar keine. Wenn zum Beispiel Gaskraftwerke in Bayern gebaut werden, die mit Geld aus Berlin, genauer, mit dem Geld aller Stromverbraucher subventioniert werden, dann kann man auf den Windstrom aus dem Norden verzichten und somit auf die umstrittenen Stromleitungen. Gehen wir getrost davon aus, dass die Südlink von Wilster (nördlich von Hamburg) nach Grafenrheinfeld kommt, denn irgendeinen Tod muss Seehofer sterben, nachdem er auch die Windkraft in Bayern ausgebremst hat − vox populi. Damit hat der CSU-Chef aber nur eine Verschnaufpause, er könnte sie als Denkpause benutzen und im High-Tech-Land Bayern das mit seiner absoluten Regierungsmehrheit umsetzen, was für ganz Deutschland notwendig ist: Eine intelligent gesteuerte dezentrale, eine wie man heute sagt, smarte Energiewelt, die so manche Stromtrasse überflüssig machen würde; Ilse Aigner hat dazu auch Andeutungen gemacht, aber was heißt das schon bei einer Ministerin unter dem bayerischen Monarchen. Wenn Seehofer sich nun mit Gabriel trifft, sollte er in dessen neu geschaffenes „Schaufenster“ blicken. Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 3. Februar ein 80-Millionen-Euro-Förderprogramm gestartet, es heißt „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (Sinteg). Gabriel: „Mit Innovationen für intelligente Energiesysteme wollen wir ermöglichen, dass Verbraucher künftig leichter aktiv am Energiemarkt teilnehmen können.“ Es sollen mindestens zwei großflächige Schaufensterregionen entstehen, so das Ministerium, „in denen Smart Grids mit zeitweise bis zu 100 Prozent erneuerbaren Energien Systemsicherheit gewährleisten und ein verbessertes Zusammenspiel von Erzeugung, Verbrauch, Speicherung und Netz demonstrieren“. Die elfseitige Förderbekanntmachung kann auf der web-Site des Ministeriums heruntergeladen werden: www.bmwi.de. Seehofer sollte sich bewerben: Das Volk mag es dezentral.

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Februar 6, 2015

Helmut Sendner

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