Freitag, 20. Februar 2015

Niemand hat nur einen Euro zu verschenken

Bild: Photocase.com, Markus Imorde

In Berlin wird mit Hochdruck überlegt, ob die neuen Klimaschutzauflagen für Kraftwerke per Gesetz oder Vertrag geregelt werden sollen. Und welche Folgen es für den Strompreis hätte, ob die Reduktionspflichten handelbar sind oder nicht. Eine Analyse.In der Öffentlichkeit ist es ruhig geworden um die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums, die CO2-Emissionen der deutschen Kraftwerke um weitere 22 Mio. t bis 2020 zu drosseln. Im vergangenen November hatte das Ministerium ein zweiseitiges Papier vorgelegt, wie eine solche nationale Sonderregelung zum Emissionshandel aussehen könnte. Seitdem hält sich der Regierungsapparat mit öffentlichen Aussagen zur tatsächlichen Umsetzung bedeckt. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Thema vom Tisch ist – ganz im Gegenteil. Hinter den Kulissen laufen die Überlegungen mit Hochdruck, wie eine solche weitere Reduktionsverpflichtung umgesetzt werden könnte. Als Möglichkeiten stehen sowohl eine freiwillige Vereinbarung der Kraftwerksbetreiber mit der Regierung als auch eine gesetzliche Regelung zur Debatte. Für beide Möglichkeiten gibt es Pro- und Contra-Argumente. Für eine gesetzliche Regelung spricht folgendes: Die bisherigen CO2-Minderungspflichten der Kraftwerksbetreiber im Rahmen des Emissionshandels sind gesetzlich festgeschrieben. Um eine vergleichbare Verbindlichkeit zu erreichen, würde es naheliegen, auch die zusätzlichen Auflagen für die Kraftwerksbetreiber per Gesetz zu beschließen. Diese könnten sich dagegen nicht wehren. Allerdings gibt es in Berlin ernst zu nehmende Fachleute, die warnen, dass kurzfristige gesetzliche Eingriffe in Rechte der Kraftwerksbetreiber vor Gericht scheitern könnten. Da der zusätzliche Klimaschutzbeitrag nach den Plänen des Ministeriums schon zwischen 2016 und 2020 erbracht werden solle, fehle die Übergangszeit, die in solchen Fällen von den Gerichten als notwendig erachtet werde. Kurzfristige zusätzliche Reduktionspflichten könne es deshalb nur mit Zustimmung der Kraftwerksbetreiber geben.

Wenig Verhandlungsmasse für eine freiwillige Vereinbarung

Eine solche freiwillige Vereinbarung hatte es beispielsweise im Jahr 2000 zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und den Kraftwerksbetreibern über die Begrenzung der Laufzeit der Kernkraftwerke gegeben. Im Unterschied zu heute standen damals allerdings die Kraftwerksbetreiber wirtschaftlich ordentlich da, und die Bundesregierung konnte ihnen für ihre Unterschrift unter die Laufzeitbeschränkung eine konkrete Gegenleistung bieten – nämlich die Beseitigung der Blockade bei der Entsorgung der Kernkraftwerke. Heute ist die Situation anders: Die wirtschaftliche Lage bei Vattenfall, EnBW und Eon ist angespannt, RWE steht mit dem Rücken zur Wand. Bei vielen anderen Kraftwerksbetreibern sieht es nicht besser aus. Keines der Unternehmen wird so leicht bereit sein, in einem freiwilligen Vertrag auf möglicherweise geldwerte Kraftwerkslaufzeit zu verzichten. „Niemand kann auch nur einen Euro hergeben“, heißt es in Branchenkreisen. Außerdem sind die meisten Unternehmen sehr enttäuscht von der Bundesregierung, weil sie den Eindruck haben, dass Berlin die Themen Versorgungssicherheit und Notwendigkeit eines Kapazitätsmarktes weitgehend ignoriert. Eine konkrete Gegenleistung wie im Jahr 2000 hat die Bundesregierung bislang auch nicht angeboten. Möglich wäre, dass sie einige besonders unwirtschaftliche Kohlekraftwerke in eine Kapazitätsreserve zur Sicherung der der Stromversorgung übernimmt und hierfür Zahlungen aus den Netzentgelten anbietet. Allerdings werden Reservekraftwerke vor allem in Süddeutschland benötigt. Der Essener RWE-Konzern, der aufgrund seiner Kraftwerksstruktur und seiner eigenen Braunkohleverstromung besonders von zusätzlichen Emissionsreduktionspflichten betroffen wäre, würde von einer süddeutschen Reserve kaum profitieren.

Handelbarkeit der neuen Zertifikate lässt Strompreise steigen

Besondere wirtschaftliche und kartellrechtliche Fragen werfen die Überlegungen des Ministeriums auf, Pflichten oder Rechte in dem neuen System übertrag- oder handelbar zu machen. „Die Kraftwerksbetreiber können frei entscheiden, wie sie die ihnen auferlegten Minderungsbeiträge dauerhaft erbringen: sie können sie gleichmäßig auf ihre Kraftwerke verteilen, auf einzelne Anlagen konzentrieren und zwischen Anlagen übertragen“, hieß es in dem Konzeptpapier vom November. Die Betreiber fürchten nun, dass sie Ärger mit dem Kartellamt bekommen könnten, wenn sie hinter verschlossenen Türen darüber verhandeln, wie sich die Pflichten zur Reduktion der Emissionen aufteilen. Dann könnte schnell der Vorwurf kommen, sie würden sich über die Zurückhaltung von Kraftwerkskapazitäten verständigen. Die mögliche Handelbarkeit hätte aber noch eine weitere Folge. Wie beim Emissionshandel würde sich das Kalkül der Kraftwerksbetreiber bei jeder Entscheidung über Betrieb oder Nichtbetrieb verändern: Je weniger sie ihr eigenes Kraftwerk betreiben, desto mehr können sie am Verkauf neuen Zertifikaten verdienen. Diese Opportunitätskosten würden sie dann nach betriebswirtschaftlicher Logik – wie beim EU-Emissionshandel mit seinen ebenfalls handelbaren Zertifikaten – auf den Preis aufschlagen, zu dem sie ihren Strom am Großhandelsmarkt anbieten. Ein Anstieg der Strompreise im gesamten Markt wäre die logische Folge. Wären dagegen die Reduktionspflichten nicht handelbar, wäre nach Einschätzung von Experten der Einfluss auf die Kalkulation der Strompreise geringer.

Der vorstehende Beitrag zum Thema  Klimaschutzauflagen für Kraftwerke  wurde bereitgestellt von:

Energie & Management

Februar 13, 2014

Timm Krägenow

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