Mittwoch, 10. Dezember 2014

Kommentar: Aufschub für die Platzhirschprämie

Bild: Fotolia.com, Do Ra 

Das Bundeskabinett hat vorerst keine zusätzlichen Klimagas-Reduktionspflichten für die deutschen Kraftwerke beschlossen. Das ist gut so, denn das vom Wirtschaftsministerium geplante System würde vor allem Betreiber bevorzugen, die in den letzten Jahren hohe Emissionen hatten. Dieser Kelch ist an der deutschen Stromwirtschaft zunächst noch mal knapp vorbei gegangen. Die Bundesregierung hat am 3. Dezember keine weiteren Klimagas-Reduktionspflichten für fossile Kraftwerke beschlossen. Ende November hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel der Branche bei einem Treffen in seinem Ministerium angekündigt, dass bis zum Jahr 2020 die fossilen Kraftwerke ihre Emissionen um zusätzlich 22 Mio. Tonnen Kohlendioxid senken müssten. Dazu hatte er erste Eckpunkte für ein entsprechendes Verpflichtungssystem vorgelegt. Jetzt hat die Branche etwas Aufschub bekommen: Das Bundeskabinett hat sich diese Eckpunkte zunächst nicht zu eigen gemacht. Die Idee, die Emissionen der Kraftwerke verbindlich zu senken, taucht vorerst nur noch in einer Presseerklärung von Bundesumweltministerium Barbara Hendricks auf: Danach wird „Bundeswirtschaftsminister Gabriel ein Konzept ausarbeiten, wie diese 22 Millionen Tonnen als Minderungsverpflichtung auf den gesamten Kraftwerkspark in Deutschland verteilt werden“. Voraussichtlich im ersten Halbjahr 2015 wird Gabriel einen entsprechenden Entwurf vorlegen, heißt es in Berlin. Die gewonnene Zeit sollte zum Nachdenken genutzt werden. Nach allem, was aus den bislang spärlichen Informationen hervorgeht, würde das bisher im Wirtschaftsministerium angedachte Verpflichtungssystem zur Senkung der Kraftwerksemissionen vor allem denjenigen Kraftwerken das Leben leicht machen, die in den letzten drei Jahren gut laufen konnten – also vor allem Stein- und Braunkohle-Kraftwerke. Es wäre ein System für Platzhirsche. Die ersten groben Pläne aus dem Ministerium sahen vor, für jedes fossile Kraftwerk die durchschnittlichen Emissionen der letzten drei Jahre zu ermitteln. Jeder Anlagenbetreiber würde dann verpflichtet, seine Emissionen bis zum Jahr 2020 um knapp sieben Prozent zu senken. Die durchschnittlichen Emissionen der letzten drei Jahre als Berechnungsbasis – das hat Auswirkungen. Die beiden emissionsstärksten Kraftwerke in Deutschland, die Braunkohle-Kraftwerke Neurath und Niederaußem, sind in den letzten Jahren nahezu ohne größere Unterbrechungen sehr gut gelaufen und haben zwischen 2011 und 2013 jeweils durchschnittlich mehr als 28 Mio. Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ausgestoßen. Müssen sie ihre Emissionen um sieben Prozent reduzieren, dürfen sie pro Jahr immer noch jeweils mehr als 26 Mio. Tonnen CO2 emittieren. Sie müssten ihren Betrieb kaum einschränken. Ganz anders die Lage bei Gaskraftwerken wie beispielsweise Irsching V, die aufgrund niedriger Kohle- und CO2-Preise in den letzten Jahren auf weniger als 2 000 Betriebsstunden pro Jahr kamen. Eine deutliche Ausweitung ihrer Stromproduktion zu Lasten der Kohlekraftwerke würde durch die neue Einsparpflicht eher erschwert, weil sie einen sehr viel geringeren zulässigen Klimagasausstoß hätten. Voraussichtlich werden die Firmen beginnen, mit den Reduktionszertifikaten untereinander Handel zu treiben: Der Betreiber eines lukrativen Braunkohlekraftwerks wird vielleicht versuchen, durch den Zukauf von Zertifikaten Vorgaben zur Drosselung des Betriebs zu umgehen. Durch den Kauf der Einspar-Nachweise würden seine Gesamtkosten leicht steigen. Der Betreiber eines unwirtschaftlichen und deshalb seltener laufenden Gaskraftwerks reduziert seine Emissionen unfreiwillig ohnehin und könnte die freiwerdenden Zertifikate verkaufen. Dass aber die Kostenverschiebung ausreicht, um saubere Energieträger in der Merit-Order nach vorne zu bringen, ist höchst unwahrscheinlich. Neue Klimaauflagen auf der Grundlage der historischen Emissionen würden diejenigen bevorteilen, die in den letzten drei Jahren gut qualmen konnten. Kraftwerke, die in letzter Zeit nicht richtig zum Zuge kamen, hätten in Zukunft noch härtere Auflagen – auch wenn sie spezifisch niedrigere CO2-Emissionen verursachen. All diese Dinge sind jetzt zum Glück noch nicht in Blei gegossen worden. Die Branche hat nun ein paar Wochen, mit guten Argumenten für eine bessere Lösung zu werben. Diese Chance sollte sie nutzen.

Der vorstehende Beitrag zum Thema Klimagas-Reduktionspflichten wurde bereitgestellt von:

Energie & Management

Dezember 03, 2014

Timm Krägenow

Tel: +49 8152 9311-0 Fax: +49 8152 9311-22 info[@]emvg.de© 2014

E&M GmbH Alle Rechte vorbehalten

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen