Freitag, 25. Juli 2014

Vorbild für eine Wärmewende


Bild: Fotolia.com, daboost
Vorbild für eine Wärmewende In Dänemark hat eine langfristig orientierte Energiepolitik für den Ausbau von Fernwärme und KWK gesorgt. Viele Erfahrungen lassen sich trotz der unterschiedlichen Rahmenbedingungen nach Deutschland übertragen. „Die Energiewende vor Ort kann auf Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärme nicht verzichten“, betonte Sarah Vautz, die sich beim Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK (AGFW) auf das Thema Stadtentwicklung konzentriert, Ende Juni in Schwäbisch Hall.

Zu der Veranstaltung „Innovative Fernwärmelösungen aus Dänemark − Antworten auf die Energiewende“ hatte der Verband gemeinsam mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall, dem Danish Board of District Heating (DBDH) sowie die Dänische Botschaft eingeladen. Dänemark hält in Europa einen Spitzenplatz: Der KWK-Anteil an der Stromerzeugung wurde in den vergangenen 30 Jahren auf über 60 % erhöht. Mit 63 % dominiert heute die Fernwärme im dänischen Wärmemarkt. Zudem stammen über 70 % der Fernwärme aus erneuerbaren Energien (inklusive der Abwärme aus der Müllverbrennung) oder werden mit Erdgas-KWK-Anlagen erzeugt. Im deutschen Wärmemarkt überwiegen die Energieträger Erdgas (48 %) und Heizöl (32 %). Der Fernwärmeanteil beträgt etwa 14 %, der Anteil der KWK an der Stromerzeugung wird auf rund 17 % geschätzt. Und während hierzulande Wärmespeicher in Kombination mit KWK-Anlagen noch die Ausnahme sind, haben sich die flexiblen Erzeugungssysteme in Dänemark jahrelang in der Praxis bewährt.

„Wir benötigen eine konsequente politische Unterstützung der Fernwärme und der KWK“, fordert daher Arne Jan Hinz, der bei den Stadtwerken Schwäbisch Hall für das technische Controlling verantwortlich ist. Dass in Dänemark nach der Ölkrise eine Wärmewende angeschoben wurde, liegt an der langfristigen politischen Rahmensetzung zum Aufbau von Fernwärmenetzen – während Deutschland vornehmlich sein Gasnetz erweiterte. Gesetze zur Wärmeversorgung ab den 1980er Jahren sorgten nicht nur für den Ersatz von Heizwerken durch Heizkraftwerke, sondern nahmen auch die Kommunen in die Pflicht. Städte und Gemeinden erhielten die Aufgabe, Energiepläne zu erstellen und umzusetzen. „Die genossenschaftlich organisierten Fernwärmeversorger sind nicht auf Gewinn ausgerichtet, sondern berechnen den Verbrauchern einen Preis, der der Summe der tatsächlichen Kosten entspricht“, erklärt Ricky Bjorkvik vom dänischen Netzwerk DBDH. Die finanzielle Förderung des KWK-Stroms sowie die Fernwärmeanschlusspflicht bei einem gleichzeitig garantierten Niedrigpreis hat verhindert, dass es zu einem konkurrierenden Ausbau von gasgefeuerten Heizungen in Einzelgebäuden gekommen ist. Dass Dänemark – im Gegensatz zu Deutschland − trotz geringer Bevölkerungsdichte eine hohe Fernwärmerate aufweist, ist sowohl auf eine ordnungsrechtliche Ausgestaltung der Energiepolitik zurückzuführen, als auch auf eine hohe Akzeptanz staatlicher Eingriffe bei der Daseinsvorsorge.

Hohe Fernwärmerate trotz geringer Bevölkerungsdichte



„Wir sollten bewährte Technologien wie beispielsweise die Niedertemperaturfernwärme oder die Solarthermie übernehmen, statt diese zu erforschen“, resümiert daher KWK-Experte Hinz. Thomas Ostergaard, Projektmanager und Marktleiter bei der dänischen Beratungsgesellschaft COWI A/S, präsentierte mit der Software Termis eine Möglichkeit, die Temperatur in Fernwärmenetzen nicht nur schrittweise abzusenken, sondern zu kontrollieren. Seiner Aussage zufolge gibt es für Fernwärmenetze nicht die eine, sondern zwei Mindesttemperaturen: eine höhere im Winter, die von der Mindesttemperatur zum Heizen von Gebäuden bestimmt wird, und eine niedrigere im Sommer, die von der Warmwasserversorgung für andere Zwecke abhänge. „In einem optimierten Fernwärmenetz ist es möglich, die Vorlauftemperaturen im Sommer bis auf 56 Grad Celsius abzusenken“, so Ostergaard. In Dänemark, wo die Temperatur in den Fernwärmeleitungen aufgrund von Vorschriften schon seit Jahren abgesenkt werden, lägen die durchschnittlichen Einsparungen dadurch bei etwa 5 %. In anderen Ländern sei das Einsparpotenzial erheblich größer. Zwar sei die Absenkung der Rücklauftemperatur noch komplexer – auch weil beim Verbraucher angesetzt werden müsse – doch könnten Wärmeverluste damit nochmals weiter reduziert werden. Nach Einschätzung von Ostergaard verfügen zwar viele Fernwärmesysteme bereits über ein SCADA-System (Supervisory Control and Data Acquisition), das einen Überblick über Temperatur- und Flussdaten im Netz verschaffe. In Verbindung mit der Termis-Software könnten Daten über das Netz und den Kunden jedoch kombiniert werden und ein modernes Computermodell liefern, dass in Echtzeit berechnet, wie das gesamte Netz arbeitet.

Temperatur in Fernwärmenetzen nicht nur abzusenken, sondern kontrollieren


Dabei werden nicht nur Variablen wie Druck, Temperatur und Fluss in den Leitungen einbezogen, sondern auch Vorhersagen zu Außentemperaturen und Windverhältnissen, das Verhalten von Großabnehmern, aktuelle Strompreise sowie Grenzwerte an kritischen Stellen des Netzes. „Damit kann der Betreiber präzise den Energieverbrauch voraussagen und die Temperatur im Netzwerk auf das erforderliche Minimum senken“, so Ostergaard. Außerdem könne die Software genutzt werden, um Ausfälle und andere Probleme im Netzverbund zu orten. Fernwärme gilt in Dänemark aber nicht nur als der Schlüssel für eine flexible Wärme- und Stromerzeugung mit einem hohen Ökostromanteil im Netz, sondern ermöglicht auch die umfangreiche Einbindung von erneuerbaren Energien. In Dänemark hat beispielsweise die Einspeisung von Solarwärme in Fernwärmesysteme Tradition und gilt als bewährte Technik. „Solarthermie ermöglicht stabile und attraktive Wärmegestehungskosten“, hob Wolfgang Guggenberger von Arcon Solar A/S hervor. Das dänische Unternehmen gilt als Pionier bei der Herstellung von solarthermischen Flachkollektoren und als Weltmarktführer bei Anlagen über 1 000 m2Kollektorfläche. Die spezifischen Systemkosten können seiner Aussage zufolge bei Großanlagen im Vergleich zu kleinen Dachkollektoren um etwa 30 % reduziert werden. Guggenberger gibt die Wärmegestehungskosten mit 25 bis 45 Euro/MWh für die Gesamtanlage (ohne saisonalen Großspeicher) an.
Gesetze zur Wärmeversorgung sorgten in Dänemark ab den 1980er Jahren nicht nur für den Ersatz von Heizwerken durch Heizkraftwerke, sondern nahmen auch die Kommunen in die Pflicht Bild: Stadtwerke Schwäbisch Hall
Die Amortisationszeiten lägen etwa bei der der Hälfte der Lebensdauer von rund 20 Jahren und seien in der Fernwärme weit weniger problematisch als bei industriellen Anwendungen. Der Solarertrag − in Dänemark jährlich zwischen 400 und 525 kWh pro m2 − ist seinen Angaben zufolge keine Frage der Technik, sondern vor allem der Gesamtkonzeption, also der Systemintegration, Regelung und Wartung. Weil Solarthermie zur Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch immer einen Pufferspeicher benötigt, können auch andere – zeitlich entkoppelte – Energiequellen wie KWK und Wärmepumpen in das System eingebunden werden. Mit Kreativität könne laut Guggenberger beispielsweise auf Industriedächern oder Brachflächen stets ein Platz für die Kollektoren geschaffen werden. Erneuerbare Energien könnten auch in Deutschland eine noch wichtigere Rolle bei der Fernwärme spielen. Hinz plädiert dafür „die unter den schlechten Strompreisen leidende Erdgas-KWK mit Biomasseheizwerken, Großwärmepumpen oder Solarthermie zu ergänzen“. In der breiten Wahrnehmung gelten die Potenziale für Solarthermie hierzulande jedoch als gering, die Möglichkeiten für Biomasseanlagen und Wärmepumpen als eingeschränkt.
56 % der deutschen Gebäude sind für Fernwärme geeignet
Bundesweit sind laut AGFW-Statistik rund 56 % der deutschen Wohn- und Verwaltungsgebäuden für einen Fernwärmeanschluss geeignet. „Investitionen in diese Zukunftstechnologie müssen heute getätigt werden, um für die nächsten 60 Jahre Bestand zu haben und Versorgungssicherheit zu bieten“, stellt Vautz vom AGFW daher klar. Ihren Ausführungen zufolge nimmt der Ausbau der Fernwärmenetze in Deutschland Fahrt auf, die Förderung für den Fernwärmeleitungsbau habe sich seit der letzten Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes wesentlich verbessert. Doch für weiter reichendere Entscheidungen fehlt der deutschen Energiepolitik bislang offenbar der Mut. In Dänemark sind Öl- und Gasheizung in neuen Privathäusern seit 2013 verboten. Bauherren haben die Wahl zwischen Fernwärme, Wärmepumpen und Holzpellets, oder sie entscheiden sich für ein Passivhaus. Ab dem Jahr 2016 sind Öl- und Gasheizungen auch in bestehenden Gebäuden untersagt − sofern sie in Gemeinden mit Fernwärmenetz stehen.

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Juli 22, 2014

Michael Pecka

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