Für die Windbranche stand bei der zurückliegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes viel auf dem Spiel: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte die Parole ausgegeben, dass sich die Vergütung je nach Standort zwischen zehn und 20 Prozent verringert. Dafür sollte nicht nur der Einspeisepreis sinken, sondern auch die Vergütungsdauer insbesondere für die erhöhte Anfangsvergütung. Deshalb wollten Gabriel und sein Energie-Staatssekretär Rainer Baake die Formel des so genannten Referenzertragmodells ändern, sozusagen das Grundgesetz für die Windstromvergütung. Es ist zwar zu einigen Änderungen gekommen, harte Einschnitte scheiterten allerdings am Widerstand der Bundesländer.

Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) hat ausgerechnet, was die politischen Korrekturen am Referenzertragsmodell in der Praxis bedeuten. In die Gleichung kamen dabei – über die gesamte Republik verteilt – 2 300 Windpropeller, für die lückenlose Ertragsdaten aus den zurückliegenden fünf Jahren vorliegen.

Bislang konnten fast alle Windmüller die erhöhte Anfangsvergütung für lange Zeiträume fest einplanen. Dieser Referenzertrag wird nach einem fünfjährigen Betrieb von einem Gutachter durch den Vergleich mit benachbarten Windmühlen festgelegt; zugleich hat man ermittelt, wie lange es die hohe Vergütung gibt. Wenn ein Windpark um 150 Prozent über dem Vergleichswert lag, rutschte der Betreiber sofort in die Grundvergütung. Solche Fälle hat es in der Praxis kaum gegeben, denn das Gros der deutschen Windparks erreicht zwischen 80 und 90 Prozent des Referenzertrages. Unter dem Strich bekommen Windmüller nach dem alten EEG die erhöhte Anfangsvergütung 20 Jahre lang, wenn ihr Windpark den Referenzertrag von 82 Prozent nicht überschreitet. Bei einem Windpark mit 90 Prozent Referenzertragswert sind es immerhin noch 18,33 Jahre.

Im neuen Modell liegt die Schwelle für 20 Jahre Grundvergütung nun bei 77,5 Prozent und die Obergrenze für den freien Fall in die Grundvergütung bei 130 Prozent. „Das hätten in unserer Auswahl gerade einmal zwei Windparks geschafft. Insgesamt wird sich für die meisten Standorte wenig ändern, weil das angepasste Referenzertragsmodell nur wenige Bereiche trifft“, erklärt IWES-Experte Volker Berkhout. „Während sich die sinkenden Vergütungen an vielen Standorten eher durch den Wegfall der Boni für Systemdienstleistungen und das Repowering erklären lassen, machen sich die Einschnitte an den Küsten deutlicher bemerkbar.“

Das zeigt auch die Untergliederung der 2 300 Referenzerträge nach Standorten. Danach liegen die Erträge an der Küste zwischen 85 und 94 Prozent, in der norddeutschen Tiefebene zwischen 65 und 74 Prozent und in den Mittelgebirgen reicht die Spanne von 55 bis 64 Prozent. Nach dem neuen Modell wird auch das Gros neuer Windparks mit einer durchschnittlichen Einspeisevergütung von acht bis 8,5 Cent rechnen können.

Welche Zukunft haben die neu entwickelten Schwachwindturbinen?


Windmüller an der Küste würden hingegen bei einem 100-Prozent-Standort nur noch 12,5 Jahre lang die erhöhte Förderung bekommen. Für die Tilgung der Investitionskosten und den laufenden Betrieb ist das schon eine härtere Nuss, bei allen Investitionen muss der Bleistift nun noch spitzer werden. „Auf Basis unserer Berechnungen erhalten nur 30 Prozent der Windparks über 20 Jahre die erhöhte Anfangsvergütung, bislang waren es 38 Prozent gewesen“, betont Berkhout die Unterschiede.

Allerdings treibt das überarbeitete Modell so seine Stilblüten aus. Während die Küste Federn lässt, dürfen sich andere Windmüller über eine signifikant höhere Förderung an schlechten Standorten freuen, die inklusive der Prämie für die Direktvermarktung bei 8,9 Ct/kWh liegt. „Im Binnenland können Betreiber zwar je nach Standort mit der erhöhten Anfangsvergütung über 20 Jahre kalkulieren, sie müssen die Finanzierung aber gegen eine geringere Stromproduktion rechnen“, verweist Georg Schroth, Leiter der Abteilung Politik beim Bundesverband Windenergie, auf die Konsequenzen.

Absehbar sei, dass die neuen Schwachwindturbinen mit ihren gewaltigen Nabenhöhen ein anderes Gewicht bekommen. „Die Projektierer suchen die Windpropeller nun eher nach dem Referenzertragsmodell und nach der längeren Anfangsvergütung und nicht so sehr nach der Effizienz aus“, sagt Schroth. An den Küstenstandorten wird zumindest an den exponierten Stellen genau der andere Trend erwartet. So manche Windschmiede dürfte sich dann über das Geld ärgern, das sie in die Entwicklung der Schwachwindturbinen gesteckt hat.

Die Dynamik des Windkraftausbaus hierzulande ist also weniger vom geänderten Referenzertragsmodell abhängig, es gibt andere Risiken: Da wäre zum einen der jährlich festgelegte Ausbaudeckel von 2 500 MW. Wenn dessen Obergrenze erreicht ist, sinkt im darauffolgenden Jahr die Vergütung automatisch in festen Schritten bis zu 1,5 Prozent.

Ausbauziele der Länder kollidieren mit dem 2 500-MW-Deckel


Zum anderen hält die anstehende Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes wohl noch eine unangenehme Überraschung parat. So ist vorgesehen, bis zu fünf Prozent der Jahresenergieproduktion einer Windturbine entschädigungslos abzuregeln. Damit sollen die Netze insgesamt mehr Strom aufnehmen können. „Absehbar ist aber, dass es immer die gleichen Windparks oder Regionen trifft. Das wird bei der Standortbewertung eine Rolle spielen“, so Nicole Knudsen vom BWE-Landesverband in Schleswig-Holstein.
Spannend wird die Frage, wie sich der Kuchen von 2 500 MW künftig auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Zwar wird die Bundesnetzagentur demnächst ein Anlagenregister aufbauen. Diese Datenbank erfasst aber nur den Zubau, die Planungen für den Windkraftausbau liegen weiterhin bei den Bundesländern.

Mittlerweile gibt es in elf Ländern Windenergieerlasse und politische Ausbauziele, die mit dem 2 500-MW-Deckel nicht in Einklang zu bringen sind. Beispielsweise hat sich die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen vorgenommen, den Windanteil an der Stromerzeugung bis 2020 auf 15 Prozent auszubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten jährlich rund 700 bis 800 MW neu ans Netz gehen.

Auch Hessen und Brandenburg haben Großes vor: In beiden Ländern stehen nun zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergienutzung zur Verfügung, die Regionalpläne werden nun darauf getrimmt. „Unsere bisherigen Vorrangflächen sind mit 602 Anlagen zu 95 Prozent belegt. Darum schreiben wir unsere Regionalpläne fort. Daran gibt es ein großes Interesse, denn die neuen Flächen haben sich Investoren schon gesichert“, erwartet Dirk Felgenhauer von der Regionalen Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim; er prognostiziert damit keinen Rückgang beim Windkraftausbau, im Gegenteil.
Damit wird es künftig – mit und ohne Ausschreibungen – auf die Kommunen und Landkreise ankommen. Deren Trumpf für den Ausbau und profitable Gewerbesteuereinnahmen sind genehmigte und baureife Flächen. Auf die lokale Flächenausweisung hat das politische Berlin aber keinen Einfluss.

Absehbar ist bereits, dass der Windkraftausbau in den südlichen Bundesländern durch den Rost zu fallen droht. Bayern hat sich mit der 10-H-Regelung, die auf gut zwei Kilometer erhöhten Abstände zwischen Windturbine und Wohnbebauung, selbst ins Abseits gestellt. „Die Anreize für sehr gute Standorte sind bei uns jetzt nicht mehr so ausgeprägt, und die Behörden gehen unterschiedlich mit den Anträgen um. Es dauert alles viel länger als geplant“, beschreibt Walter Witzel, Vorsitzender vom BWE-Landesverband in Baden-Württemberg, die Situation in Nachbarland. Sein Ministerpräsident und grüner Parteifreund Winfried Kretschmann hatte sich vorgestellt, bis 2020 gut zehn Prozent des Strombedarfs aus heimischer Windenergie zu gewinnen. Dafür müssten jährlich 120 neue Windpropeller ans Netz gehen. 2013 waren es magere 31 MW. „Wir bräuchten jetzt eigentlich einen massiven Schub“, findet Witzel. Der ist aber nicht in Sicht.

* Torsten Thomas, Journalist, Oldenburg