E&M: Herr Becker, wie bewerten Sie den Kabinettsbeschluss zum EEG?

Becker: Es handelt sich um eine Fortentwicklung des EEG, nicht um eine wirklich grundlegende Änderung der Förderung. Also eher ein Reförmchen als eine wirkliche Reform. Es war nicht zu erwarten, dass beim EEG ein ganz großer Wurf gelingen könnte, weil die Länder zustimmen müssen und viele heterogene Interessen bestehen. Deshalb hat es am Schluss an vielen Stellen noch Aufweichungen gegeben, die auch weitere Kosten produzieren. Positiv zu bewerten ist, dass jetzt bei den erneuerbaren Energien Planungssicherheit geschaffen worden ist. Für Wind onshore und offshore gibt es nun einen verlässlichen Ausbaupfad.
Ich finde es gut, dass mit der Direktvermarktung und der geplanten Vergabe der Förderung in Auktionen ein erster Schritt Richtung Markt gemacht wurde. Wichtig ist, dass das jetzt auch umgesetzt und nicht noch weiter aufgeweicht wird.

E&M: Wie wird sich die EEG-Umlage entwickeln?

Becker: Ich gehe davon aus, dass die EEG-Umlage in den nächsten zwei Jahren stabil bleiben wird. Wenn wir allerdings den Zubau im Bereich Offshore sehen, dann wird der früher oder später noch mal zu einer Steigerung der EEG-Umlage führen.

E&M: Industrielle KWK-Anlagen zur Deckung des eigenen Strombedarfs werden künftig an der Finanzierung der Erneuerbaren über die EEG-Umlage beteiligt. Welche Folgen hat das?

Becker: Beim Eigenstromprivileg ist viel Effizienzpotenzial weggeschnitten worden, weil die Modernisierung alter Anlagen stark eingeschränkt wurde. Das betrifft auch industrielle KWK-Anlagen mit Wirkungsgraden von 90 Prozent, die wir geplant haben. Solche Projekte werden durch die Pflicht zur anteiligen Zahlung der EEG-Umlage wirtschaftlich belastet.

Sven Becker: "Wir müssen die Schockstarre überwinden und zur Tagesordnung übergehen"
Bild: Trianel



E&M: Wird es jetzt in der Energiewirtschaft Aufbruchstimmung geben, nachdem der künftige Förderpfad für die Erneuerbaren feststeht?

Becker: Aufbruchstimmung entsteht noch nicht. Auch deshalb nicht, weil bisher nur die Änderung des EEG beschlossen ist. Die Entwicklung bei der konventionellen Erzeugung und in den Strommärkten drückt weiterhin viele Versorger. Durch die Verluste im konventionellen Bereich fehlt die Liquidität, um im größeren Stil in die erneuerbaren Energien einzusteigen. Die niedrigen Börsenstrompreise belasten ja auch die Verbraucher, weil die Differenz zwischen EEG-Förderzusage und Börsenpreis weiterhin über die EEG-Umlage getragen werden muss. Das Thema Marktdesign ist also eine wirklich dringende Baustelle. Außerdem müssen wir uns für eine grundlegende Reform und Belebung des Emissionshandels einsetzen. Der auch im Jahr 2013 wieder gestiegene CO2-Ausstoß zeigt, dass die notwendigen Lenkungssignale über den CO2-Preis im Moment noch ausbleiben.

E&M: Die Branche hat es in den letzten Jahren mit der Politik nicht leicht gehabt.

Becker: Tatsache ist, dass die staatlichen Abgaben in den vergangenen zehn Jahren erhöht worden sind. Tatsache ist auch, dass über die Förderpolitik der Markt so ausgehöhlt wurde, dass der Glaube in den Wettbewerb, den wir seit 1998 gesehen haben, zerstört war. Wir haben zwei sich grundsätzlich widersprechende Trends: auf der einen Seite Wettbewerb, auch forciert durch die europäische Integration, und auf der anderen Seite den Trend zu einer staatlichen Re-Regulierung mit dem EEG, der Winterreserve und der jüngsten Diskussion über Staatskraftwerke. Wir brauchen ein Bekenntnis zum Markt und einen Ordnungsrahmen, der Vertrauensschutz nicht nur für Investoren in PV-Anlagen schafft, sondern auch für andere Anleger.

E&M: Auch wenn Sie gute Gründe dafür haben, wird es die Kunden auf Dauer nicht begeistern, wenn die Energiebranche vor allem über die Fehler der letzten Jahre klagt.

Becker: Wir müssen die Schockstarre überwinden und zur Tagesordnung übergehen. Obwohl viele Versorger in den zurückliegenden Jahren Investments gemacht haben, die sich unter den heutigen Rahmenbedingungen nicht mehr rechnen, müssen wir uns aus der Lähmung befreien. Es geht darum, die Chancen und Geschäftsmodelle, die mit der Marktveränderung verbunden sind, zu nutzen, um damit neue Geschäfte zu kreieren.

E&M: Und was ist dabei die wichtigste Aufgabe?

Becker: Zentral ist die Integration der erneuerbaren Energien in den Markt. Daraus ergeben sich viele Ansätze: unter anderem Direktvermarktung und Nutzung von Flexibilität in Erzeugung und Verbrauch, zum Beispiel über Sekundärregelpools. Das Thema Smart Metering muss angegangen werden, um eine Flexibilisierung zu erreichen. Wir müssen in neuen Geschäftsmodellen denken.
Und da ist es auch nicht verboten, mal auf andere Branchen zu schauen. Die Energiewirtschaft war bisher von langjähriger Kontinuität geprägt mit geringem Innovationsgrad. Und hier gilt es jetzt, Fortschritte zu machen.